Debye-Hückel-Grenzgesetz und Aktivitäten von Ionen in Lösungen

In Elektrolytlösungen sorgt die Anziehung zwischen entgegengesetzten Ladungsträgern dafür, dass sich um Ionen einer Ladung bevorzugt entgegengesetzt geladene Ionen sammeln. Die "Wolke" aus Ladungsträgern beeinflusst signifikant die physikalisch chemischen Eigenschaften der Ionen, da sie Ladungen stabilisiert und das Ion elektrisch abschirmt.

Eine Möglichkeit die Eigenschaften von Ionen in Elektrolytlösungen zu beschreiben ist mit dem sogenannten Debye-Hückel-Grenzgesetz. Dabei werden die Ionen als kugelförmige Ladungsträger aufgefasst, die von einer kontinuierlichen Ladungswolke umgeben sind. Es werden also nur elektrostatische Wechselwirkungen (Coulomb Kräfte) der Ionen mit der mittleren Ladungsdichte um das Ion berücksichtigt und keine expliziten Wechselwirkungen der Ionen untereinander. Die umgebende Flüssigkeit wird als kontinuierliches Dielektrikum mit konstanter Permittivität angenommen.

Das Lösen der entsprechenden physikalischen Gleichungen liefert Ausdrücke für das Potential der Ionen, die mittlere Größe der Ladungswolke und die Aktivitätskoeffizienten der einzelnen Spezies. Eine entscheidende Größe in diesen Gleichungen ist dabei die sogenannte Ionenstärke I. Sie ist als eine Art gewichtete Ladungsträgerdichte in der Lösung zu verstehen.

I = \frac{1}{2} \sum_i{z_i^2\cdot \frac{b_i}{b^0}}

Auf der rechten Seite befindet sich eine Abbildung in der die Ionenstärke einer Lösung gegen die Molalität für ein vollständig dissoziierendes Salz des Typs M_{\nu_+}X_{\nu_-} <=> \nu_+M_{aq}^{z+}+\nu_-X_{aq}^{z-} aufgetragen ist. Die stöchiometrischen Koeffizienten und Ladungszahlen der Ionen können dabei mit den Slidern in der grauen Box frei (also auch chemisch unsinnig) gewählt werden. Probieren Sie einfach mal aus, wie die Steigung der Geraden von den Koeffizienten abhängt.

Zusammenhang zwischen Ionenstärke und Konzentration:

Die räumliche Ausdehnung der bereits angesprochenen Ladungswolke wird durch die sogenannte Debye-Länge \lambda_D beschrieben. Sie gibt an, wann das Potential der Ladungswolke auf den e-ten Teil seines ursprünglichen Wertes abgefallen ist.

\lambda_D = \sqrt{\frac{\epsilon_0\epsilon_r k_b T}{2 N_A I e^2}}

Unter Vernachlässigung des Teilchenradius (=> Übergang zum punktförmigen Ion) ergibt sich für die Potentiale des Teilchens und der Ladungswolke in Abhängigkeit von der Debye-Länge und dem Abstand zum Teilchen:

\phi_{Teilchen}(r) = \frac{z\cdot e}{4\pi\epsilon_0\epsilon_r}\cdot\frac{1}{r}

\phi_{Wolke}(r) = \frac{z\cdot e}{4\pi\epsilon_0\epsilon_r}\cdot\left(\frac{e^{-r/\lambda_D}}{r} - \frac{1}{r}\right)

Eine graphische Darstellung der Potentiale können Sie der nebenstehenden Abbildung entnehmen.

Potential eines Teilchens in der Lösung

Darüber hinaus können mit dem Debye-Hückel-Grenzgesetz auch die Aktivitäten von Ionen in Elektrolytlösungen berechnet werden. Auf Grund der Elektroneutralität ist es dabei in der Realität allerdings nicht möglich, die Aktivitätskoeffizienten der Ionen eines Salzes getrennt voneinander zu messen, weshalb auch in der Theorie meist der mittlere Aktivitätskoeffizienten \gamma_{\pm} verwendet wird. Dieser teilt die Nichtidealität der Lösung gleichmäßig auf Kationen und Anionen auf und entspricht dem geometrischen Mittel der einzelnen Koeffizienten.

Für den Grenzfall sehr kleiner Konzentrationen liefert das Debye-Hückel-Grenzgesetz folgende Gleichung zur Berechnung der mittleren Aktivitätskoeffizienten. A ist dabei eine lösungsmittelspezifische Konstante, die für Wasser bei 25°C den Wert 0.509 annimmt. Es fällt auf, dass die erhaltenen Aktivitätskoeffizienten nur von Ladung und Molalität des Elektrolyten abhängt und nicht von dessen Art. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die der Theorie zurgrunde liegenden Coulomb-Wechselwirkungen ebenfalls nur den Ladungszustand der Teilchen berücksichtigen und nicht dessen weitere Eigenschaften.

\lg \gamma_{\pm,Hueckel} = -A\cdot|z_+z_-|\cdot\sqrt{I}

Aufgrund des relativ geringen Gültigkeitsbereichs des Debye-Hückel-Grenzgesetzes wurden im Laufe der Zeit verschiedene empirische Erweiterungen entwickelt, die den anwendbaren Konzentrationsbereich hin zu höheren Konzentrationen erweitern. Einige Beispiele sind die Erweiterte Debye-Hückel-Theorie, sowie die erweiterten Grenzgesetze nach Davies (1938) und Guggenheim (1936).

\lg \gamma_{\pm, Davies} = -A\cdot|z_+z_-|\cdot(\frac{\sqrt{I}}{1+\sqrt{I}}-0.3I)

Auf der rechten Seite sehen Sie eine Auftragung des dekadischen Logarithmus des mittleren Aktivitätskoeffizienten gegen die Molalität. Dieser Abbildung liegt das von Ihnen am Anfang konfigurierte Salz zugrunde. Gehen Sie doch noch einmal zurück und schauen Sie, wie sich die Kurven verändern, wenn sie die Eigenschaften des Salzes ändern. Darüber hinaus hängt der Aktivitätskoeffizienten auch von Dichte und Permittivität des Lösungsmittel, sowie der Temperatur ab. Verändern Sie auch diese Werte über die Slider im grauen Kasten und schauen Sie, was passiert. Voreingestellt sind die Eigenschaften von Wasser.

Zur Orientierung sind in der Abbildung außerdem experimentelle mittlere Aktivitätskoeffizienten von Natriumhydroxid als Punkte eingetragen (Harned, 1925).

Aktivitätsmodelle:

Aufgabenstellung:

Nutzen Sie den obigen Einstieg und die aufgeführten Quellen, um sich über das Debye-Hückel-Grenzgesetz und seine Erweiterungen zu informieren. Bearbeiten Sie anschließend mit Ihrem neu erworbenen Wissen die folgenden Fragen und senden Sie die Antworten Ihrem Assistierenden zusammen mit dem Protokoll zu. Kurze und prägnante Antworten in Stichsätzen oder ggf. mit Abbildungen sind dabei vollkommen ausreichend.

Wichtig: Die Fragen sollen von beiden Praktikumspartnern bearbeitet werden!

  1. Angenommen ein Chemiker möchte mit einer möglichst geringen Konzentration eines Salzes eine möglichst hohe Ionenstärke erreichen und ihm stehen Natriumchlorid, Calciumchlorid und Kupfersulfat zur Verfügung. Welches Salz sollte er verwenden und warum?
  2. Berechnen Sie die Debye-Längen in Natriumchlorid-Lösungen mit Konzentrationen von 0.001 M, 0.01 M und 0.1 M. In welcher Größenordnung liegt \lambda_D also?
  3. Welche Näherungen liegen dem Debye-Hückel-Grenzgesetz zugrunde und was bedeuten sie?
  4. Recherchieren Sie Literaturwerte für die Aktivitätskoeffizienten von Natriumchlorid in wässrigen Lösungen und erstellen Sie mit diesen Werten eine Auftragung von \log\gamma_{\pm} gegen die Molalität. Tragen Sie in diese Abbildung ebenfalls die theoretischen Werte für die Annahme Molalität gleich Aktivität, nach dem Debye-Hückel-Grenzgesetz und der Erweiterung nach Davies ein. In welchem Konzentrationsbereich sind die Modelle sinnvoll und unterscheidet sich dieser Bereich von dem für Natriumhydroxid (vgl. Abbildung oben)? Was bedeutet das für diesen Versuch?
  5. Recherchieren Sie, welcher Gültigkeitsbereich den Modellen aus Aufgabe 4 in der Literatur zugeschrieben wird. Deckt sich dies mit Ihren Schlussfolgerungen für Natriumchlorid?

Quellen

  1. P. W. Atkins und J. de Paula, Physikalische Chemie, 5. Auflage, Wiley-VCH, Weimnheim, 2013, S. 205ff.
  2. C. W. Davies, Extent of Dissociation of Salts in Water. Part VIII, 1938, S.2093ff.
  3. R. A. Robinson und R. H. Stokes, Tables of osmotic and activity coefficients of electrrolytes in aqueous solution at 25°C, Trans. Faraday Soc., 1949, 45, 612-624.
  4. H. S. Harned, The activity coefficient of sodium hydroxide in aqueous solution, J. Am. Chem. Soc., 1925, 47, 3, 684-689.
  5. A. H. Truesdell, Science 161 (3844), 884-886.